Darstellung eines Ton-Humus-Komplex.
Der Ton-Humus-Komplex ist ein zentraler Begriff, der für den Landbau eminent wichtig ist, wegen seiner theoretischen Grundlagen allerdings wenig Beachtung findet. Um ihn verständlich zu machen, versuchen wir Eigenschaften, Funktion und Bedeutung mit Hilfe von Vergleichen und praxisbezogenen Erklärungen in diesem Bericht zu verdeutlichen.
In vorgegangenen Berichten über Ampfer, Disteln und über Probleme mit der Trockenheit, wurde der Ton-Humus-Komplex (abgekürzt THK) immer wieder mit seinen verschiedenen Funktionen erwähnt. Am ehesten ist er mit der Herztätigkeit der höheren Lebewesen zu vergleichen. Der THK reguliert nicht nur den Wasserhaushalt im Boden, sondern dient auch als Katalysator für Nährstoffen, verhindert Auswaschung und gibt sie frei, um von den Wurzeln aufgenommen zu werden. Dies beeinflusst das Wurzelwachstum und letztendlich die Gesundheit der Pflanze und die Qualität der Frucht.
Der Grundbaustein dieser Ordnung ist Humus. Er entsteht durch die Verbindung von tierischen und pflanzlichen Bodenleben¹. Dieser Dauerhumus ist stabil und wird nicht sofort zerstört, wenn der Boden mechanisch zermahlen wird. Dauerhumus wird dann erst durch den Lebenszyklus im Boden, der Vermehrung, dem Leben und Sterben von Bakterien und Mikroorganismen zu Ton-Humus. Diese Umwandlung findet vor allem in der Feinverwurzelung der Pflanzen statt und verleiht ihm einzigartige Eigenschaften. Ton und Mineralien machen den Boden stabil, Humus macht ihn elastisch. So ist er unabhängig von der Witterung. Die Elemente des THK bestehen aus einem Kern aus Ton mit einem hauchdünnen Mantel aus Humus, der ein Aneinanderkleben verhindert. So entsteht eine stabile und poröse Struktur, die bei gleicher Masse, ein deutlich größeres Volumen aufweist. Dieser Boden hat eine natürliche Spannung. Sie führt dazu, dass Wassertropfen sofort aufgesogen werden, und nicht wie bei strukturlosem Boden lediglich über den Acker rollen und sich nicht mit dem Boden verbinden.
Der THK verliert seine einzigartigen Eigenschaften, sobald er in seine Einzelteile, Ton und Humus, zerfällt. Wasser kann weder gehalten noch abgegeben werden, weil die Gefäße und Transportwege zerstört sind. In gleicher Weise verlieren die Pflanzen ohne diesen Kreislauf die Selbstständigkeit bei der Nährstoffaufnahme. Ohne einen intakten Boden besteht keine Grundlage mehr für die Symbiose mit den Mykorrhiza-Pilzen und anderen Mikroorganismen, die auf einen lockeren, porösen Boden angewiesen sind. Herztätigkeit und Blutkreislauf funktionieren nur, wenn der Verbund der Adern intakt ist. Das gilt auch für den THK im Boden. Werden seine Elemente durcheinandergebracht, zerschlagen oder in seine Einzelteile zermahlen, kann seine Funktion nicht erfüllt werden. Die einzelnen Teile sind zwar noch vorhanden, in ihrer Mischung jedoch unbrauchbar. Das gestörte Wachstum im Dürrejahr 2018 machte klar, wie anfällig funktionsgestörte Böden auf die Trockenheit reagieren. Bei funktionierendem THK bleibt die Pflanze in großem Maße unabhängig von extremen Wetterbedingungen und leidet kaum Trockenstress und wird auch nicht durch Überfluss an Wasser vom Leben abgeschnitten, da der THK ein Mehrfaches seines Eigenvolumens aufnehmen kann. Für die Umwelt ist dieses Gefüge deshalb von besonderer Bedeutung. Die industrielle Landwirtschaft sorgt immer mehr für negative Schlagzeilen. Die Auswirkungen der Auswaschung von Schadstoffen in den Boden, vor allem von Dünger, rückt immer mehr in den Fokus. Ein zerstörter Ackerboden einerseits und eine ideale Bodenstruktur anderseits, lassen nur den Schluss zu, dass sich die jetzige Art zu wirtschaften in ihren Grundprinzipien ändern muss um nachhaltig mit der Ressource Boden umgehen zu können. Es ist nicht entscheidend auf den grundlegenden Humusanteil zu schauen, sondern auf seine Qualität und Ordnung. Auch Böden mit wenig Dauerhumus können die Struktur des Ton-Humus erreichen. Der gängige Umgang mit dem Boden ist jedoch für den THK tödlich: den Acker einer intensiven Bearbeitung aussetzen und möglichst fein zu malen, gibt dem Leben keine Grundlage zur Entfaltung. Es wird sogar das Gegenteil erreicht: Aufbauende Bakterien und Mikroorganismen werden erstickt, ein anaerobes Milieu wird geschaffen, und mit der Auswaschung ideale Bedingungen für Ampfer, Disteln und Quecke gegeben. Das beschriebene Szenario sieht sehr ernüchternd aus. Glücklicherweise gibt es Hoffnung, unabhängig davon, wie zerstört die Ackerkrume ist und mit welcher Anbaumethode gearbeitet wurde - ob biologisch oder konventionell - Minimalbodenbearbeitung oder mit Pflug. Für die traditionelle Dammkultur spricht, dass sie Raum für Leben bietet, egal in welchem Zustand der Acker ist. Die ersten Aufgabe, die sich stellt, besonders wenn es an THK im Acker fehlt, ist die organische Masse im Boden zu fördern. Das erste Zwischenziel ist also, Entwicklung von Gare zu unterstützen. Das erreicht man durch schonende Bodenbearbeitung und - im Idealfall - durch Aufbringung von tierischem Dünger, der jedoch nur so tief eingearbeitet wird, wie der Boden noch mit Sauerstoff versorgt ist. Das bezweckt, dass die organische Substanz durch das Bodenleben „vorverdaut“ wird um der Kulturpflanze artgerecht bereitzustehen². Der Vorteil der traditionellen Dammkultur ist das „Lungensystem“, ein Mikroklima, das aus der speziellen Form der Dammkultur entsteht.
Darstellung des Lungensystems im aufgehäuften Damm bei Tag und Nacht.
Auf diesem belüfteten und erhöhten Niveau gedeiht das Leben welches durch seinen ständigen Kreislauf Spuren hinterlässt, die dem Boden Struktur und Stabilität geben. Diese Spuren sind Überreste und Ausscheidungen von Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen.
Um den THK gezielt aufzubauen, ist es optimal zwei parallele Fruchtfolgen zu führen, eine für die Begrünung, die andere für die Hauptfrucht. So ist die bestmögliche Voraussetzung für die Folgekultur gegeben. Die in diesem Stadium wachsenden Unkräuter sind überraschenderweise als nützliche „Ackerbegleitpflanzen“³ anzusehen, da sie ausgewaschene Nährstoffe aufnehmen und den Boden mit ihren Wurzeln anreichern. Es ist jedoch nicht zu unterschätzen, welchen Stellenwert die Schwarzbrache hat, die dem Boden eine Atempause, und durch Licht- und Lufteinfall den Grünalgen und Blaualgen Lebensraum gibt. Diese Algen wachsen umso besser, je größer die Oberfläche und je grobkörniger der Boden ist. Man erkennt diese Algen an ihrem grünen oder blauen Schimmer, der sich wie ein Film über die Erdoberfläche legt. Er dient so wie eine Zwischenfrucht als Begrünung und bindet Stickstoff, der der Kulturpflanze verfügbar wird. So können sie eine Anreicherung bis zu 40 t/h und mehr an organischer Masse bringen. Unabhängig davon ob nun Zwischenfrüchte geführt werden oder ob der Acker brach liegt: Es gilt den Boden wenig aber ausreichend zu bearbeiten. Sind diese Schritte der Vorbereitung gemacht, kann sich der Ton und der Humus mit Hilfe der Feinverwurzelung der Hauptfrucht verbinden. Verweise: ¹ M. Sekera, 2012 ² LK Rudolf Steiner, Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft (besonders empfehlenswert ist der 4. Vortrag der Reihe), 1924 ³ Der Begriff wurde von Uwe Wüst im persönlichen Gespräch geprägt. Besondere Empfehlung: Vortrag von Dr. Christine Jones, https//www.youtube.com/watch?v=-_T59LAuCJc
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